vom Vater überliefert
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I hab a klans Häusl beim Kierlingbach stehn,
des is zwar net neu, aber 's is no recht schön.
Ganz drobm fehln scho Ziagln, des is ka Malheur,
drum frag i an Maurer: "Se, des is do net schwer?".
"Gar ka Spur", sagt der Mann, "morgn gehn ma's glei an!"
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Z'erscht schaut er sich um, ganz genau und exakt.
Was er mitgebracht hat, wird gleich ausgepackt.
Er schaut aufe auf's Haus, 's fehlt a Ziagl da obm,
drum nimmt er an Ziagl und legt n am Bodn.
dann suacht er a Leiter, dass er aufe kann gehn,
tragt sie acht Schritte weiter, und da schlagt es grad zehn.
'S is Zeit jetzt zum Frühstück, er nimmt a Bierflaschn raus,
zündt an sich a Pfeifn, die geht fünfzehn Mal aus.
Wie sie brennt, sagt er dann: "Jetzt gengan ma's an!"
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Dann nimmt eine Prise sein Finger, der gelbe,
dann packt er den Ziagl, 's is noch immer der Selbe.
Glei drauf muaß er niesn, sofort! Unbedingt!
Er legt n Ziagl gleich weg, weil er glaubt, er zerspringt.
Dann suacht er a Sacktuch, er hat leider keins,
da sag ich, das macht nix, hier haben Sie meins.
Jetzt fühlt er sich wohl wie ein Fisch in der Elbe,
drum nimmt er an Ziagl, 's is noch immer der Selbe,
will hinauf auf die Leiter, da schlagt es grad zwölfe.
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Er legt den Ziagl gleich weg, seine Frau bringt das Essen,
nach der Arbeit, da schmeckt's, drum wird fleißig gegessen.
Sie setzt sich zu ihm und er setzt sich zu ihr,
heut gibt es ein Gulasch mit Gurken und Bier.
Dann liest er die Zeitung, sagt entrüstet zu ihr:
"Schon wieder wird g'streikt, die solln arbeitn wie wir!"
Ganz leer ist die Schüssel, dann schlaft er a Bissel,
dann schlagt die Uhr zwei und die Pause ist vorbei.
"Na schön", sagt er dann, "jetzt gehn ma's halt an!"
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Drauf wird der Gatsch umgerührt, der weiche, der gelbe.
Dann nimmt er an Ziagl, 's is noch immer derselbe.
Auf einmal, da spürt er - die Gurken! Das Bier!
Er legt in Ziagl gleich weg und nimmt a Zeitungspapier,
weil der Ziagl ist weniger geeignet dafür
und geht hin zu der Tür, wo geschrieben steht: "Hier".
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Gleich nach drei kommt er raus aus dem kleinen Gewölbe
und packt sich an Ziagl, 's is noch immer derselbe.
Darauf steigt er wirklich, ohne Rast, ohne Ruh
mit'n Ziagl auf d' Leiter, no, was sagn Sie dazu.
Die hat zwanzig Sprossen, alle weit auseinand.
Er steigt unverdrossen mitn Ziagl in der Hand.
Bei der achtzehnten halt er, die Uhr schlag grad vier.
Jetzt ist Feierabend und er steht noch hier.
Ja, was soll er jetzt machen ganz nahe beim Ziel.
Er schwankt zwischen Arbeit und Pflichtgefühl.
Das Pflichtgefühl siegt, drum benimmt er sich edel,
lasst den Ziagl gleich falln und direkt mir am Schädel!
Wie ich schimpf, sagt er drauf: "Sans net bös, lieber Mann.
Für heut mach ma Schluss, aber morgn gehn ma's an."
Quellen
Dieses Lied habe ich früher öfters von meinem Vater gehört und selbst gesungen.
Das Lied hieß ursprünglich "Der gewissenhafte Maurer"
und stammte von Otto Reuter (1870 - 1931) aus Berlin.
Hier können Sie die Originalversion von Otto Reuter hören:
Und hier ist eine Interpretation von Heinz Conrads (Wien)
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