Alpenländisch

Alpenländische Volksmusik

was ist das?

Für mich ist alpenländische Volksmusik (heute manchmal auch volXmusik genannt, zur besseren Unterscheidung zur volkstümlichen Schlagermusik, die oft vereinfacht auch als "Volksmusik" bezeichnet wird), kein Qualitätsmerkmal, sondern einfach ein bestimmter Musikstil, der eben in den deutschsprachigen Alpenländern entstanden ist oder überliefert wurde. Erkennbar ist er unter anderem an der Form der Melodieführung, die häufig bis überwiegend aus Akkordbrechungen, Zerlegungen von Dur-Dreiklängen besteht, die auf und ab hüpft wie die Alpenberge (ja, ich weiß, dieser Vergleich von Hans Gielge hinkt noch mehr, als dies alle Vergleiche ohnehin tun) und an der parallelen Zweistimmigkeit.

Für mich bedeutet das nicht, dass diese Musik besser wäre als andere Musikarten. Sie ist nicht besser, sie ist nur anders, besitzt ihre eigene, unverwechselbare Form, und sie ist in der Gegend überliefert, wo ich musikantisch denken und musizieren gelernt habe.

Übrigens, es hat Jahrzehnte gedauert, bis mir klar wurde, dass die Musik meines Vaters und damit meine Familienüberlieferung überwiegend alpenländisch bis wienerisch geprägt war. Ob das meinem Vater selbst je klar wurde - ich glaube es nicht. Leider kann ich ihn nicht mehr fragen. Aber eines war sicher auch ihm klar: Vater spielte/sang/überlieferte das, was ihm selbst - und schon auch seinen Zuhörern - Freude bereitete.

Weitere Informationen über Alpenländische Volksmusik können sie auf der Seite Lehrgang/Einführung unter dem Titel "Was ist Alpenländische Volksmusik überhaupt?" abrufen. Oder Sie schauen in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia unter Alpenländische Volksmusik oder unter Volksmusik nach.

Volksmusik, Volkstanz

was ist das?

Volksmusik und Volkstanz gibt es natürlich nicht nur in den Alpenländern, sondern überall auf der ganzen Welt, in allen Regionen und Völkern, in unterschiedlichster Ausprägung.

Ich kenne etliche mehr oder weniger wissenschaftliche Definitionen des Begriffes "Volksmusik". Teilweise widersprechen sie sich auch. Das pendelt zwischen den beiden Extremen:

Volksmusik ist alles, was mindestens hundert Jahre im Volk ohne Änderung überliefert wurde. Oder gar das, was im Volk ohne Komponist oder Tanzlehrer entstanden ist.

Volksmusik ist alles, was das Volk (heute) singt, musiziert oder tanzt.

Diese Definitionen sind üblicherweise in einer wissenschaftlichen Sprache abgefasst, die ein Nicht-Wissenschafter kaum bis gar nicht versteht. Häufig sind sich die Experten nicht einmal einig, was eigentlich das Volk ist, das im Namen Volksmusik steckt.

Ich kenne aber auch die Definition: Volksmusik, Volkstanz ist alles, was irgend jemand auf der Welt als Volksmusik oder Volkstanz bezeichnet hat.

Gerlinde Haid meinte einmal: "Volksmusik ist nicht viel mehr als ein historisch ererbter Begriff, den man aus praktischen Gründen stehn lässt."

Auch Hermann Härtel hat in einem Artikel 1998 nur versucht, zu beschreiben: Was ist eigentlich Volksmusik?

Für mich sind alle diese Definitionen unwichtig. Volksmusik ist für mich ein Musikstil, der schon auch mit Überlieferung zu tun hat, der in einer bestimmten Art funktioniert, die auch schriftlose Überlieferung ermöglicht.

Volksmusik ist vor allem Laienmusik. Aber natürlich dürfen auch Berufsmusiker Volksmusik spielen - sie sollten nur nicht glauben, das besser zu können.

Wichtiger ist für mich, Volksmusik, Volkstanz hat vor allem mit Freude zu tun.  Wichtig ist für mich die Freude am Musizieren, am Singen, die Freude am Zuhören, am Mittanzen, die Freude an lebender, lebendiger Musik. Wenn dann noch musikalisch richtig, zur Gelegenheit passend, gefühlvoll und schwungvoll gespielt oder gesungen wird, dann ist es auch gute Volksmusik. Kleine Fehler stören dabei überhaupt nicht. Auch größere Fehler stören nur wenig, wenn die Freude am Musizieren spürbar bleibt.

Über diese Freude am Musizieren, am Tanzen, habe ich eine eigene Seite verfasst: Volkstanz macht Spaß.

Volksmusik ist für mich nichts auf ewig Festgelegtes, immer Gleiches - im Gegenteil, sie wird jedes Mal neu geschaffen. Wir spielen keine altüberlieferte, starre, tote Musik, bei uns wird die Musik lebendig, sie lebt, und das jetzt, heute.

Wenn eine Gruppe ihr Stück zum hundertsten Mal auf der Bühne darbietet, jedes Mal gleich, jedes Mal gleich perfekt, jedes Mal in genau der gleichen Art - und dabei nur an die Gage oder an sonst irgendetwas denkt: Für mich ist das keine Volksmusik mehr, sondern Kommerz oder auch Museum.

Dazu gibt es eine köstliche Definition:

Kommerz ist es dann, wenn man dazu schunkeln und lachen muss.

Museum ist es dann, wenn man dazu andächtig still sitzen muss, wenn Lachen verboten ist.

Sie sehen, in keiner dieser Definitionen kommt das Wort "Freude" vor.

Volksmusik dagegen ist freudvolle Musik in einer realen Situation; keine gestellten Mundbewegungen und erstarrtes Kameralächeln, sondern spontanes Lachen, keine einstudierte Show, keine Verhaltensvorschriften, sondern pralles Leben, kein Playback mit Elektrogitarre auf der grünen Almwiese, sondern wirklich gespielte Musik in einem realen Umfeld.

Was ist „echte, traditionelle Volksmusik“?

Mit dem Wort „echt“ hab ich so meine Probleme. Gibt es überhaupt „unechte“ Musik? Und "traditionell" vermeide ich auch ziemlich. Wir spielen natürlich überliefertes, tradiertes, aber auch zu einem großen Teil selbst gemachtes, selbst gestricktes, selbst komponiertes, also "zeitgenössische" Musik. Unsere Musik ist allerdings immer alpenländisch bis wienerisch geprägt, also irgendwie im traditionellen Stil.

Dazu hat Hermann Härtel 1967 in Gösing ein lesenswertes Referat verfasst: Echte Volksmusik – was soll das heissen?

Hans Well von Biermöslblosn und Wellbuam schrieb in seiner Homepage einen sehr interessanten Artikel über den heutigen Zustand der Volksmusik zwischen Musikantenstadl und Heimatmuseum. Seine Ausführungen über die Volkstümliche Musik- und Kitschwelle sind leicht überspitzt formuliert und interessant zu lesen, aber auch seine Meinung über die "Echte Volksmusik" ist köstlich. (... soll andachtsmäßig zelebriert werden, Humor gilt als Sakrileg.) Und auch mit dem Satz von "den Sängern, denen die Reinheit des Dreiklangs wichtiger ist als die Lebendigkeit und Gaudi beim Singen", rennt Hans Well bei mir offene Türen ein.

Hans Well siedelt zwischen diesen beiden Extremen die Neue Volksmusik an, "... sie trägt noch am ehesten die Möglichkeit in sich, der Bedeutung des Begriffs Volksmusik wieder gerecht zu werden" - behauptet er. Und da kann ich ihm nicht ganz folgen. Diese Möglichkeit hat die überlieferte Volksmusik nie verloren. Sie wurde nur leider von gewissen Musikpflegern (Museumspflegern?) hintangesetzt.

Was volkstümliche Schlagermusik ist, habe ich versucht, auf einer eigenen Seite zu erklären. Hier nur: auch das ist Musik, kann gute Musik sein.

Was ist gute Volksmusik?

Legen Sie einem Orchestermusiker Volksmusik-Noten vor - er spielt sie sicher perfekt vom Blatt. Dabei fadisiert er sich womöglich, weil es "gar so leicht gesetzt" ist - und ahnt dabei gar nicht, was ein Musikant aus diesem Stück für Schwung herausholen kann.

Brave Volksliedaufzeichner schauten und schauen dem Volk aufs Maul, wie es so schön heißt, zwängen dann das Gehörte in Noten, zwischen Taktstriche, womöglich in Metronomzahlen und Harmoniebuchstaben, versuchen eifrig und ernst, die Mundart so genau wie möglich zu transkribieren und bewahren es dann für die Nachwelt zwischen Buchdeckeln oder in Archiven auf, "bevor es endgültig verklingt". Ich meine, das ist notwendig und lobenswert, aber Überlieferung ist das nicht.

Ich habe unlängst gehört, das größte Verbrechen eines Musikanten sei, Noten (oder Griffschrift) zu spielen, anstatt Musik zu machen.

Zu guter Volksmusik gehört vieles, das sich in Noten und Metronomzahlen gar nicht ausdrücken lässt. Den Stil verbessern kann man eigentlich nur durch Zuhören: anderen Musikanten zuhören - und vor allem sich selbst zuhören. Ich behaupte, Volksmusik spielt nur der gut, der vorher anderen (und sich selbst) gut zugehört hat; in dem sich dadurch eine Vorstellung heranbildet, wie dieses Stück klingen könnte, der dann versucht, das in seinem Kopf bereits klingende Stück in Musik umzusetzen. 

Wenn man genau weiß, wie so ein Stück klingen soll, weil es im eigenen Kopf, in der eigenen Vorstellung bereits klingt, dann gibt es auch kaum mehr technische Probleme, dann wissen die Finger praktisch von selbst, wie sie die Knöpfe oder Saiten berühren müssen.

Versuchen Sie es nur, hören Sie zu, hören Sie gut zu, nicht nur mit dem Kopf, auch mit dem Bauch, auch mit dem Herz, lassen Sie das Gehörte im Kopf nachklingen, versuchen Sie dann, das Gehörte selbst in Musik umzusetzen, lassen Sie auch dabei Ihre Gefühle aus dem Bauch, aus dem Herz zu.

Für mich ist dieses Zuhören Überlieferung. Und was daraus entsteht, ist kein "historisch ererbter Begriff" (Haid), sondern Volksmusik.

Musik meines Vaters

Mein Vater sagte einmal zu mir: "Ihr spielt so wunderschöne Sachen, singt so wunderschöne Lieder. Aber warum spielt und singt ihr nicht die alten Volkslieder?" Auf meine Frage "Was ist so ein Volkslied?" antwortete er einfach: "Na, zum Beispiel Am Brunnen vor dem Tore, oder das Heideröschen."

Für mich waren das damals zwar schöne Lieder, aber komponiert und daher keine Volkslieder. Inzwischen habe ich dazu gelernt. Ich weiß heute, dass viele unserer Volksmusikstückln oder Lieder eigentlich Schlager aus der Zeit um 1900 waren, mit bekannten Komponisten, etwa die Kupferschmiedpolka, die Holzauktion, Über Stock und Stein und viele andere. Es sind aber schöne Stückln, und natürlich spielen wir sie weiterhin. Die in der Knafflhandschrift von 1813 überlieferte Melodie eines Deutschen stammt möglicherweise gar von Henry Purcell aus dem England des 17. Jahrhunderts. Und schon der Marsch aus Oberösterreich aus der Sonnleithnersamlung von 1819 hat als Gegenstück den March fra Napoleonstiden, ein Dänischer Marsch aus der Napoleonszeit.

Das gilt auch für viele Volkstänze. Ein überwiegender Teil unseres Volkstanzrepertoires besteht aus Gesellschaftstänzen etwa ab 1850, mein Vater kannte sie teilweise noch aus seiner Jugendzeit.. Die Rediwa war 1901 Gesellschaftstanz, Kreuzpolka und Rheinländer sowieso bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Die Graziana ist ein komponierter Gesellschaftstanz aus Leipzig (um 1900), die Melodie zur Kuckuckspolka ist ein Hamburger Schlager aus 1893, der dort heute noch gesungen wird, der Ungarisch Schottisch wurde noch in den Zwanzigerjahren in der Klosterneuburger Tanzschule gelehrt, die Hauptmelodie des Siebenschritt stammt gar vom Engländer Anthony Holborne (1597), und derartiges könnte man noch und noch anführen. Jedenfalls ist die vor allem in der Nazizeit behauptete Herkunft unserer Volkstänze von germanischen Tänzen oder auch nur aus "unserem Volk" häufig ein nationalistisches Märchen.

Ich halte die Worte Volksmusik, Volkslied, Volkstanz ebenfalls für aus ideologischen Gründen verbreitete Märchen. Ich würde lieber Brauchmusik oder Gebrauchsmusik dazu sagen, werde das aber gegen "historisch ererbte Begriffe" wohl nicht durchsetzen können. Die Tanz- und Hochzeitsmusikanten, die Wirtshaus- und Almsänger, die Kirchenmusiker und alle, die im sogenannten Volk früher gesungen und gespielt haben, verwendeten keine von Pflegern ausgewählten Lieder, sie brachten, was ihnen gefiel, was sie irgendwo gelernt hatten, was üblich war und was sie brauchen konnten. Auch die Entstehung im Volk ist so ein Märchen. Jedes Lied, jedes Stück hat irgend jemand komponiert, getextet, hat einen Urheber. Und natürlich wurde es durch oftmalige Verwendung geändert, zurechtgesungen oder auch zersungen.

Nicht einmal die oftmals gehörte Behauptung, während der Arbeit wurde viel gesungen, kann ich glauben. Als Handwerker weiß ich, dass man während der Arbeit kaum singen kann. Ich kann mir auch vorstellen, dass dies dem Chef gar nicht recht war. Allerdings wurde in Arbeitspausen und vor allem nach der Arbeit gesungen, musiziert, weit mehr als man sich heute vorstellen kann, und vor allem von vielen Leuten, nicht nur von ausgebildeten Sängern. Das habe ich noch erlebt, in der Zeit, bevor das Fernsehen allgemein verbreitet war.

Und dieses Singen und Musizieren von vielen möchte ich auch durch meine Veröffentlichungen fördern, vielleicht sogar wieder ermöglichen.

Akademische Volksmusik

In den letzten Jahren haben in ganz Österreich und Bayern akademisch ausgebildete Musiker die Volksmusik entdeckt, Volksmusikanten haben die Akademien besucht, um besser spielen zu lernen. Das Ergebnis ist wirklich hörenswert. Ich sitze manchmal stundenlang und lausche staunend dieser wunderbaren Musik. Aber ob das Ergebnis noch Volksmusik ist, darüber gibt es bereits Diskussionen. Ich persönlich meine schon, auch perfekt dargebotene Musik ist Volksmusik. Anscheinend wandelt sich in manchen Kreisen Volksmusik von Gebrauchsmusik (siehe oben) zu Kunstmusik. Allerdings meine ich dazu auch, Volksmusik ist Musik des Volkes, sollte im Volk gespielt oder gesungen werden, Volksmusik ist Laienmusik, ist zu schade, um sie nur den akademischen Musikern zu überlassen.

Lang vorher schon haben die Liedaufzeichner die Volksmusik entdeckt, oder das, was sie dafür hielten. Zweideutige oder sogenannte "schmutzige" Lieder hielten sie nicht dafür, haben sie daher in diversen Geheimaufzeichnungen versteckt oder gar nicht aufgeschrieben, sicher nicht veröffentlicht. Ich kenne etwa die Behauptung: Das Volk singt Volkslieder, Zoten singt der Pöbel. Ich halte diese oberlehrerhafte Behauptung für höheren Blödsinn. In unserer Überlieferung hatten immer auch die erotischen Lieder ihren Platz. Und ich staune immer wieder über von genau diesen Liedaufzeichnern  veröffentlichte Lieder, deren erotisch gemeinten Text sie überhaupt nicht verstanden. Neben vielen anderen Beispielen meine ich etwa das weit verbreitete Lied Übern Laurenziberg. Ich veröffentliche auf meinen Seiten daher nicht nur Kinderlieder und Kirchenlieder, sondern auch erotisches.

Weitere Informationen über Alpenländische Volksmusik finden Sie auf den Unterseiten "Volksmusik", "Lehrgang/Einführung" oder auch auf der eigenen Homepage der "Stammtischmusik Klosterneuburg"

Auf Dancilla habe ich, etwa auf der Seite Gestalteter Tanz, nun auch kritisches über unsere Volkstänze veröffentlicht.

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