Volkstümliche Musik
und die Unterschiede zur Volksmusik
In gewissen Zeitungen, in Rundfunk und Fernsehen wird die volkstümliche
Schlagermusik häufig vereinfachend "Volksmusik" genannt - was sie
nicht ist. Puristen ärgern sich darüber, grenzen sich ab, protestieren
dagegen, machen die "volksdümmliche" oder gar "moiksdümmliche"
Musik schlecht - was diese ebenfalls nicht ist.
Ich meine halt, es gibt keine schlechte Musik, es gibt nur schlecht gespielte
und daher schwunglose Musik.
Für mich persönlich ist der wesentlichste Unterschied:
Volkstümliche Schlager unterliegen immer dem Urheberrecht,
bei Aufführungen sind Tantiemen an AKM, Gema oder andere Urheberrechtsverbände zu leisten.
Ich spiele daher diese Musik nicht öffentlich, auch wenn mir etliche Stücke
davon gefallen. Mir wäre leid ums Geld für die Tantiemen.
Volksmusik, Volkslied ist überwiegend urheberrechtsfrei,
kann daher im Regelfall ohne Bezahlung von Tantiemen aufgeführt werden. Die
wenigen Ausnahmen, wo komponierte Volksmusik dem Urheberrecht unterliegt, spiele
ich ebenfalls nicht.
Allein aus diesem Grund beschränke ich mich in meinen Webseiten auf Volksmusik, die nicht dem Urheberrecht
unterliegt - das ist der weit überwiegende Teil unserer Überlieferung.
Unterschiede
Es gibt keine exakte Unterscheidung zwischen den beiden Musikstilen. Es gibt
fließende Übergänge, Grenzbereiche, die je nach Standpunkt des Betrachters
dem einen oder dem anderen Lager zuzuordnen sind. Es ist daher nicht leicht,
allgemein gültige Unterschiede zwischen Volksmusik und volkstümlicher
Schlagermusik zu finden, ich will es versuchen:
| Der Wortteil "tümlich" kommt
von "so tun als ob". |
| Kommerziellen Hintergrund hat manchmal
auch die Volksmusik - alle Volksmusikanten freuen sich über Bezahlung -
kommerziellen Hintergrund hat aber immer die volkstümliche Musik. |
| Volkstümliche Schlagermusik wird von der Musikindustrie
kommerziell ausgeschlachtet und verbreitet, sie wurde geschrieben, um Geld
zu verdienen. |
| Bei Volksmusik können kommerzielle Interessen zwar auch vorhanden sein,
stehen aber eher im Hintergrund. Hauptsache ist nicht, Geld zu verdienen,
Hauptsache ist Freude an der Musik. |
Liedtexte
Bei den Texten sind die Unterschiede noch ziemlich klar.
| Volkslieder werden meist im Dialekt
gesungen, volkstümliches üblicherweise in Umgangssprache,
einem etwas mundartlich gefärbten Hochdeutsch,
damit man auch überregional verstanden wird und die Lieder auch
überregional verkaufen kann. |
| Tradierte Volkslieder singen von echten Gefühlen
oder echten Problemen echter Menschen in
einer echten Umgebung. Das sind nicht nur Bauernburschen und Sennerinnen,
das sind genau so auch Handwerker, Kleingewerbetreibende und andere. |
| Volkstümliche Schlagerlieder singen von Klischeebildern,
von konstruierten Gefühlen künstlicher Menschen in einer auswechselbaren
Umgebung. Sie handeln häufig vom Urlaub, suggerieren Wohlbefinden,
glorifizieren eine austauschbare Heimat, die zwar manchmal reale Ortsnamen
bringt, die sind aber austauschbar und könnten überall sein.
| Klischee: Heimatglocken, Berge
wären Heimat, Natur |
| Gefühle: Glücksgefühle,
Sehnsucht nach Glück, Sehnsucht nach Heimat, Aber heut gehts guat. |
| Künstliche Menschen: Frau Meier, Menschen im Urlaub,
glückliche Musikanten. |
| Austauschbare Umgebung: Dort wo
..., Du schönes ... |
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Der Überbegriff für diese Klischeebilder ist Kitsch, volkstümliche Schlager handeln also von Kitsch.
(Siehe Kitsch
in der Wikipedia.) Das ist an sich nichts Schlechtes, auch beim Volkslied kommt Kitsch immer wieder
vor, aber nicht so massiv. Offensichtlich hat der Mensch ein Bedürfnis nach
Kitsch. Und dieses Bedürfnis wird von der volkstümlichen Welle etwas zu aufdringlich
befriedigt.
Musikalische Unterschiede sind schwerer zu beschreiben
| Volkstümliche Schlagermusik wird künstlich hergestellt, um
Heimatgefühle hervorzurufen, dabei werden häufig aus dem Zusammenhang
gerissene Floskeln der Volksmusik zusammengestellt. |
| Tradierte Volksmusik hat oft einen regionalen Bezug, dieser fehlt bei der
volkstümlichen Musik völlig. "Das muss so sein, wenn man den Erfolg
im gesamten deutschsprachigen Raum sicherstellen will. Die chromatischen
Raunzer eines Wienerliedes oder das Paschen einer Gruppe aus dem
Salzkammergut wird sich einfach in Hamburg nicht so wie gewollt
verkaufen." (Walter Deutsch). |
| Volkstümliche Schlagermusik verwendet häufig eher längere Töne,
alpenländische Volksmusik eher kürzere Töne und Akkordbrechungen. |
| Volkstümliche Schlagermusik hat oft eher seichte Melodien. |
| Deshalb ist bei volkstümlicher Schlagermusik das Arrangement wichtiger
als die manchmal ohnedies banale Melodie. |
| Volkstümliche Schlagermusik verwendet stereotypen, schematisch
durchgehaltenen Rhythmus, der die Melodie häufig zerhämmert, zerstört. |
Weitere Unterschiede
| Musikanten der Volksmusik sind häufig Laien, die aus Freude musizieren,
oder weil ihre Musik gebraucht wird. Musikanten der volkstümlichen
Schlagermusik sind meist sehr gut ausgebildete Musiker, die mit ihrer Arbeit
oft viel Geld verdienen. |
| Musikanten der volkstümlichen Schlagermusik tragen häufig kitschige
Kunsttrachten, um überregional Bezug zu irgend einer Heimat zu suggerieren. |
| Volkstümliche Schlagermusik benützt häufig moderne Instrumente
(E-Gitarre, Schlagzeug), die in der Volksmusik eher nicht verwendet werden. |
| Volkstümliche Schlagermusik wird häufig als Playback gespielt, die
Musikanten tun nur so, als ob sie spielen würden, (E-Gitarre und andere
E-Instrumente ohne Stromanschluss, auf der grünen Wiese), die Musik wurde vorher im Tonstudio in tagelanger Arbeit
eingespielt. |
| Volkstümliche Musikanten zeigen theatermäßig Freude, Volksmusik wird
mit innerer Freude gespielt. |
Die volkstümliche Schlagermusik ist also etwas anderes als die Volksmusik,
mit der sie oft verwechselt wird, auch aus finanziellen Gründen absichtlich
verwechselt wird. Aber sie hat in der heutigen Gesellschaft ihre Funktion, wird
gebraucht.
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